Die „Ziele für nachhaltige Entwicklung“ (SDGs) der Vereinten Nationen sind die Blaupause für ein menschenwürdiges Leben weltweit. Zu den 17 Zielen gehören die Beseitigung von extremer Armut und Hunger, der Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen für alle, eine gute Bildung, Geschlechtergerechtigkeit sowie eine nachhaltige Wirtschaft, die Maßnahmen gegen den Klimawandel und für Innovationen umfasst.
Ein aktueller UN-Bericht warnt nun jedoch eindringlich: Nur ein massiver Finanzierungsschub und eine grundlegende Reform der internationalen Finanzarchitektur können die SDGs noch retten. „Die Uhr tickt,“ mahnte UN-Vizegeneralsekretärin Amina Mohammed. Die 17 SDGs wurden 2015 auf dem Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in New York von den UN-Staaten verabschiedet. Mehr als die Hälfte der Zeit, um diese Ziele zu erreichen, ist bereits verstrichen.
Der jüngste Bericht, der von über 60 UN- und anderen internationalen Organisationen vorgelegt wurde, zeigt eine enorme Finanzierungslücke auf. Diese Lücke wird auf 4,2 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt. Zum Vergleich: Das entspricht fast dem gesamten Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Deutschland, das 2023 bei 4,1 Billionen Euro (4,5 Billionen Dollar) lag.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Situation erheblich verschärft. Vor Covid-19 betrug der jährliche Fehlbetrag 2,5 Billionen US-Dollar. Diese dramatische Erhöhung der Finanzierungslücke unterstreicht die dringende Notwendigkeit für umfassende Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit, um die ambitionierten Ziele der Agenda 2030 noch zu erreichen.
Nachhaltige Entwicklung: Problematisch vor allem Steuerhinterziehung, – Vermeidung und Steuerdumping
Der Bericht verdeutlicht, dass zunehmende geopolitische Spannungen, Klimakatastrophen und stark steigende Lebenshaltungskosten die Situation von Milliarden Menschen verschlechtert haben. Mühsam errungene Fortschritte in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung und andere Entwicklungsziele wurden insbesondere in den ärmsten Ländern rückgängig gemacht.
Fachleute warnen: Setzen sich die aktuellen Trends fort, werden auch 2030 und darüber hinaus fast 600 Millionen Menschen in extremer Armut leben, mehr als die Hälfte davon Frauen. Laut Weltbank lag die Zahl der extrem Armen 2023 bei rund 690 Millionen, im Vergleich zu 648 Millionen im Jahr 2019, vor der Corona-Pandemie.
Die öffentlichen Investitionen in die SDG-Sektoren hatten in den 2000er Jahren kontinuierlich zugenommen, doch diese positive Entwicklung ist mittlerweile ins Stocken geraten. Verschiedene Faktoren tragen dazu bei. Ärmere Länder verzeichnen weniger Staatseinnahmen, was der Bericht unter anderem auf Steuerhinterziehung und -Vermeidung zurückführt. Zusätzlich sind die Steuersätze infolge des globalen Wettbewerbs um niedrige Steuern gesunken. Der weltweite Durchschnittssteuersatz ist von gut 28 Prozent im Jahr 2000 auf 21 Prozent im Jahr 2023 gesunken.
Darüber hinaus erfüllen die Industrieländer ihre Verpflichtungen für Entwicklungshilfe und Klimaschutzfinanzierung nicht. „Nur vier Länder haben 2022 das UN-Hilfsziel von 0,7 Prozent des BIP erreicht“, lautet das ernüchternde Fazit des Berichts.
Steigende Verschuldung zahlreicher Länder verschärft Situation
Die Analyse zeigt, dass die hohe Verschuldung vieler Länder und steigende Kreditkosten wesentlich zur negativen Entwicklung beitragen. „Die ärmsten Länder geben heute zwölf Prozent ihres Einkommens für Zinszahlungen aus – viermal so viel wie noch vor zehn Jahren,“ heißt es in der UN-Mitteilung zum Erscheinen des Berichts.
Besonders alarmierend: Rund 40 Prozent der Weltbevölkerung leben in Ländern, in denen der Staat mehr für Zinszahlungen ausgibt als für Bildung oder Gesundheit. Ein entscheidender Faktor hierbei ist der starke Einfluss der Klimakrise. Laut dem Bericht ist die Hälfte des Schuldenanstiegs in gefährdeten Ländern auf häufigere und intensivere klimabedingte Katastrophen zurückzuführen.
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass das internationale Finanzsystem, das auf der Bretton-Woods-Konferenz 1944 geschaffen wurde, so nicht mehr funktionsfähig ist. Es wird ein neues System vorgeschlagen, das besser auf Krisen reagieren kann und die Investitionen in die Nachhaltigkeitsziele erhöht, insbesondere durch mehr Gelder von internationalen Entwicklungsbanken.
Der für September angesetzte UN-Zukunftsgipfel und die nächste internationale Konferenz über Entwicklungsfinanzierung (FfD4) im Juni 2025 bieten entscheidende Chancen für einen Kurswechsel. Die Länder sollten sich verpflichten, die Finanzierungslücke bei der Entwicklungshilfe zu schließen und mehr in die SDGs zu investieren.
UN-Vizechefin Amina Mohammed betonte: „Wir stehen wirklich an einem Scheideweg und die Zeit läuft uns davon. Die Staats- und Regierungschefs müssen über reine Rhetorik hinausgehen und ihre Versprechen einlösen. Ohne angemessene Finanzierung können die Ziele für 2030 nicht erreicht werden.“
Der komplette UN-Bericht kann hier als PDF abgerufen werden >> Ziele für nachhaltige Entwicklung / Bericht 2023 – Sonderausgabe
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.