Im Mai diesen Jahres hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsicht ESMA Leitlinien veröffentlicht, die festlegen, unter welchen Voraussetzungen Fonds nachhaltigkeitsbezogene Zusätze im Namen führen dürfen. Etwas überraschend hat die deutsche Finanzaufsicht Bafin diese Vorgaben schon jetzt umsetzt, obwohl sie auf EU-Ebene noch nicht verpflichtend sind. Diese neue Leitlinien haben also die bisherige BaFin-Verwaltungspraxis zu nachhaltigen Investmentvermögen vollständig abgelöst. Dieses vorausschauende Vorgehen zeigt das Engagement der Bafin, Transparenz und Vertrauen im Bereich nachhaltiger Investments zu stärken und den Schutz der Anleger zu gewährleisten. Doch was bedeutet das nun im Detail?
Neue Leitlinien sollen für mehr Klarheit und Transparenz sorgen
Hierzu muss Folgendes festgestellt werden: Der Name eines Fonds ist von zentraler Bedeutung, da er einen ersten Eindruck von der Anlagestrategie und den Zielen des Produkts vermittelt und die Entscheidungen der Anleger maßgeblich beeinflusst. Der EU-Gesetzgeber hebt in der kürzlich veröffentlichten Richtlinie (EU) 2024/927 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2024 die Relevanz von Fondsnamen hervor.
Die Richtlinie fordert Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) auf, sicherzustellen, dass ihre Produktinformationen korrekt, redlich und klar sind und keine irreführenden oder verwirrenden Botschaften enthalten, die Anleger täuschen könnten. Zudem wird die Europäische Wertpapier- und Marktaufsicht (ESMA) damit beauftragt, umfassende Leitlinien zu Fondsnamen zu entwickeln.
Was die ESMA Leitlinien beinhalten
Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) müssen spezifische Anforderungen erfüllen, die je nach Begriff im Fondsnamen variieren. Die ESMA legt detaillierte Vorschriften fest, wie und in welchem Umfang Fonds in bestimmte Vermögenswerte investieren müssen, um eine bestimmte Bezeichnung führen zu können. Darüber hinaus wurden unterschiedliche Mindestausschlüsse eingeführt, die sich nach der Benchmark-Verordnung (EU) 2016/1011 richten. Diese Verordnung definiert zwei nachhaltigkeitsbezogene Referenzwerte: den Climate Transition Benchmark (CTB) und den Paris-Aligned Benchmark (PAB).
Der PAB umfasst striktere Ausschlüsse als der CTB und ist daher strenger. Auch wenn diese Ausschlüsse hauptsächlich für die Administratoren von EU-Referenzwerten vorgesehen sind, beziehen sich die ESMA-Leitlinien auf diese Vorgaben. Die Fondsbezeichnung bestimmt, ob die strengeren PAB-Ausschlüsse oder die weniger strengen CTB-Ausschlüsse gelten. So müssen beispielsweise Fonds mit „Transition“ oder „Transformation“ im Namen die weniger strengen CTB-Ausschlüsse beachten, während für Fonds, deren Namen den Begriff „Umwelt“ enthalten, die strengeren PAB-Regeln gelten.
In der Praxis bedeutet dies: Ein Fonds, der „Umwelt“ im Namen führt, muss mindestens 80 Prozent seines Vermögens entsprechend den verbindlichen nachhaltigen Elementen der Anlagestrategie investieren und die Ausschlüsse des Paris-abgestimmten Referenzwerts beachten. Dies schließt Investitionen in folgende Bereiche aus:
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- Unternehmen, die umstrittene Waffen herstellen
- Unternehmen, die Tabak anbauen oder produzieren
- Unternehmen, die gegen die Grundsätze der UN-Initiative „Global Compact“ oder die OECD-Leitsätze verstoßen
- Unternehmen, die mehr als 1 Prozent ihrer Einnahmen aus Kohlenabbau erzielen
- Unternehmen, die mehr als 10 Prozent ihrer Einnahmen aus der Erdölexploration oder -verarbeitung erzielen
- Unternehmen, die mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen aus gasförmigen Brennstoffen erwirtschaften
- Unternehmen, deren Stromerzeugung mehr als 100 g CO2e/kWh an Treibhausgasemissionen verursacht
Für Fonds, die den Begriff „Transition“ im Namen tragen, gelten die weniger strengen CTB-Ausschlüsse. Diese Fonds investieren in Unternehmen und Industrien, die einen Wandel anstreben, etwa einen beschleunigten Ausstieg aus der Kohlenförderung. Die KVGen müssen dabei sicherstellen, dass 80 Prozent des Fondsvermögens gemäß der festgelegten ökologischen oder sozialen Anlagestrategie investiert werden. Zudem müssen sie die CTB-Ausschlüsse beachten, was bedeutet, dass Investitionen in Unternehmen, die an umstrittenen Waffen oder Tabakproduktion beteiligt sind oder gegen die UNGC-Prinzipien verstoßen, ausgeschlossen sind.
Die ESMA verlangt von den KVGen einen klaren und messbaren Transitionspfad, gibt jedoch keine detaillierten Vorgaben dazu. Unternehmen können ihre Transitionsprojekte und Zwischenziele individuell definieren, müssen diese jedoch nachvollziehbar und durch wissenschaftlich fundierte Ziele, wie Science-Based Targets (SBT), überprüfbar machen. KVGen können diese Informationen verwenden, um den Transitionspfad gemäß den ESMA-Anforderungen darzustellen und in Fondsprospekten transparent zu kommunizieren.
Was bei den ESMA Leitlinien noch unklar beziehungsweise offen ist
Nach der Veröffentlichung der ESMA-Leitlinien bleiben dennoch einige zentrale Fragen zur Auslegung und praktischen Anwendung offen. Besonders hervorzuheben ist die Anforderung, dass Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) „bedeutsam“ in nachhaltige Anlagen investieren müssen, gemäß Artikel 2 Absatz 17 der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR). Die genaue Bedeutung dieses Begriffs wird in kommenden Arbeitssträngen der ESMA präzisiert, um einen einheitlichen EU-weiten Standard zu gewährleisten.
Ein weiteres ungeklärtes Thema betrifft die Verfügbarkeit von „Green Bonds“ für Fonds, die den ESMA-Leitlinien und den dazugehörigen Mindestausschlüssen entsprechen. „Green Bonds“, Anleihen, deren Erlöse für umweltfreundliche Projekte verwendet werden, sind nicht immer für Fonds erwerbbar, die Begriffe wie „Umwelt“ oder „Nachhaltigkeit“ im Namen führen. Der Grund liegt oft in den geltenden Mindestausschlüssen, insbesondere wenn die Anleihen von Unternehmen emittiert werden, die den Ausschlusskriterien unterliegen.
Bei der Beurteilung von „Green Bonds“ müssen KVGen nicht nur das spezifische Projekt der Anleihe berücksichtigen, sondern auch das Unternehmen, das die Anleihen herausgibt. „Transitionsfonds“ hingegen können unter den derzeit weniger strengen Ausschlüssen der Climate Transition Benchmark (CTB) leichter in „Green Bonds“ investieren. Dennoch sind sie verpflichtet, ihren Transitionspfad klar darzustellen und die entsprechenden Informationen transparent zu kommunizieren.
Was die Umsetzung der neuen ESMA Richtlinien bei der BAFIN in der Praxis bedeuten
Vor zwei Jahren etablierte die BaFin eine Verwaltungspraxis für die Nutzung von Nachhaltigkeitsbegriffen in den Namen deutscher Publikumsfonds. Die neuen ESMA-Leitlinien erweitern diese Regelung auf alle in der EU regulierten Fonds, einschließlich Spezialfonds für professionelle Anleger. Ab sofort berücksichtigt die BaFin bei neuen Anträgen ausschließlich die ESMA-Vorgaben. Das Vorhandensein von Nachhaltigkeitsbegriffen im Fondsnamen allein reicht nun aus, um eine Prüfung der Anlagebedingungen auszulösen, ohne dass die frühere Praxis der expliziten Nachhaltigkeitsdarstellung in Marketingmaterialien berücksichtigt wird.
Für Bestandsfonds, die bereits nachhaltige Merkmale aufweisen, wird die BaFin Anpassungen gemäß den ESMA-Leitlinien in der Regel nicht als wesentliche Änderung der Anlagegrundsätze oder der Anlegerrechte werten, solange die bisherigen Anforderungen erfüllt sind. Dies gilt auch für Fonds mit ESG-Anhängen, die Mindestzusagen und Ausschlusskriterien gemäß der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) enthalten.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.