Schonmal etwas von Green Premiums gehört oder gelesen? Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren von einem Nischenthema zu einem dominierenden Anliegen in Politik, Wirtschaft und Medien entwickelt. Auch im Alltag nimmt das Bewusstsein für den Klimaschutz stetig zu. Für Anleger ist es entscheidend, die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen zu verstehen. Die steigenden Anforderungen an den Klimaschutz wirken sich erheblich auf die Preisgestaltung von Produkten und Dienstleistungen aus – eben die sogenannten „Green Premiums“. Doch was bedeutet dieser Begriff im Detail?
Green Premiums – was bedeutet das eigentlich genau?
Green Premiums“ klingt zunächst positiv, doch in der Praxis können diese Prämien erhebliche finanzielle Belastungen darstellen. Bill Gates, der Gründer von Microsoft, prägte diesen Begriff und veranschaulichte eindrucksvoll die aktuellen Herausforderungen: Der Aufpreis für Flugzeugtreibstoff mit geringen oder keinen Treibhausgasemissionen liegt derzeit bei etwa 140 Prozent. Wären Fluggesellschaften gezwungen, diese Kosten selbst zu tragen, ohne sie an die Kunden weiterzugeben, stünden sie schnell vor existenziellen Problemen.
Das Problem lässt sich aber auch auf andere Bereiche anwenden, wie folgenden Beispiele belegen:
- Stromerzeugung: Der Preis für Strom aus fossilen Brennstoffen wie Kohle liegt bei etwa 5-6 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Im Vergleich dazu kostet Strom aus Solarenergie etwa 7-8 Cent pro kWh und aus Windenergie etwa 6-7 Cent pro kWh. Der Green Premium hier ist die Differenz zwischen den Kosten für fossile Brennstoffe und erneuerbare Energien.
- Heizung: Das Heizen eines Hauses mit Erdgas kostet etwa 10-12 Cent pro kWh. Eine Wärmepumpe, die mit Strom betrieben wird, kostet etwa 15-20 Cent pro kWh. Der Green Premium ist hier die zusätzliche Kosten für die umweltfreundlichere Wärmepumpenheizung.
- Zementproduktion: Traditionell hergestellter Zement kostet etwa 125 USD pro Tonne. Kohlenstoffarmer Zement, der weniger CO2-Emissionen verursacht, kann bis zu 160 USD pro Tonne kosten. Der Green Premium beträgt hier also 35 USD pro Tonne.
Es wird also deutlich, wie tiefgreifend die Auswirkungen auf verschiedene Branchen sein können. Würden zudem weitere Umweltfaktoren wie die Vermeidung von Umweltverschmutzung und der Gewässerschutz in die Kostenkalkulation einbezogen, könnten die Preisaufschläge noch dramatischer ausfallen.
Für Investoren bedeutet dies, dass die Berücksichtigung von Green Premiums in ihren Investitionsstrategien im Grunde unerlässlich ist. Doch auf welche Faktoren kommt es dabei konkret an?
Nachhaltigkeit und Investitionen: Vier zentrale Fragen für Anleger
Wer also sein Kapital nachhaltig investieren möchte, sollte sich bei der Betrachtung und möglichen Auswahl eines Unternehmens vier grundlegende Fragen stellen:
1. Wie stark ist das Unternehmen von regulatorischen Nachhaltigkeitsanforderungen betroffen?
Regulatorische Vorgaben spielen eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit eines Unternehmens. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zum Beispiel stellt hohe Anforderungen an die (Finanz-)Berichterstattung zu ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren (ESG). Unternehmen müssen umfangreiche Daten zu ihrer Umweltbilanz, sozialen Verantwortung und Unternehmensführung offenlegen.
Dies erfordert nicht nur zusätzliche Ressourcen, sondern kann auch die strategische Ausrichtung beeinflussen. Anleger sollten prüfen, wie gut ein Unternehmen auf diese Anforderungen vorbereitet ist und welche Maßnahmen es zur Erfüllung der Vorgaben ergreift.
2. Welche Inputfaktoren sind als grüne Alternative teurer und/oder weniger verfügbar?
Die Verfügbarkeit und die Kosten grüner Alternativen sind entscheidende Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. In der Stahlproduktion zum Beispiel besteht eine Unterversorgung mit grünen Stahlprodukten. Laut einer Studie von McKinsey wird diese Knappheit in den kommenden fünf bis zehn Jahren aufgrund langer Vorlaufzeiten für neue Fertigungsanlagen voraussichtlich bestehen bleiben. Unternehmen, die auf schwer zugängliche oder teurere grüne Ressourcen angewiesen sind, könnten mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert werden. Anleger sollten daher die Abhängigkeit eines Unternehmens von solchen Faktoren genau analysieren.
3. Wie innovativ ist das Unternehmen bei der Transition der eigenen Produkte und Dienstleistungen zu mehr Nachhaltigkeit?
Innovationskraft ist ein Schlüsselfaktor für die nachhaltige Transformation. Unternehmen, die proaktiv in grüne Technologien und Prozesse investieren, haben oft einen Wettbewerbsvorteil. Diese Innovation muss nicht nur intern geschehen. Akquisitionen von Firmen, die bereits über nachhaltige Technologien verfügen, können den Transitionsprozess erheblich beschleunigen.
Anleger sollten sich tiefgehend dahin informieren, wie engagiert ein Unternehmen in der Entwicklung oder Integration nachhaltiger Lösungen ist und welche strategischen Maßnahmen es plant oder bereits umsetzt.
4. Wie sieht der künftige Finanzierungsmix aus?
Der Zugang zu Kapital ist entscheidend für die Umsetzung nachhaltiger Projekte. Green Bonds, also grüne Anleihen, bieten Unternehmen die Möglichkeit, bessere Finanzierungskonditionen zu erhalten. Sie stellen jedoch auch zusätzliche Anforderungen an die Transparenz und die Mittelverwendung.
Ein Unternehmen, das einen klaren Plan für den Einsatz von Green Bonds hat, signalisiert oft ein starkes Engagement für Nachhaltigkeit. Anleger sollten den Finanzierungsmix eines Unternehmens analysieren, um zu verstehen, wie es seine nachhaltigen Initiativen finanziert und welche Strategien es zur Kapitalbeschaffung verfolgt.
Diese Fragen bieten Investoren einen umfassenden Rahmen, um die Nachhaltigkeitsbestrebungen eines Unternehmens zu bewerten. Ein tiefes Verständnis dieser Faktoren kann den Unterschied zwischen einer erfolgreichen und einer riskanten Investition ausmachen.
Fazit und Ausblick
An diesem Punkt lässt sich feststellen, dass sowohl Staaten als auch Unternehmen vor erheblichen Dilemmata stehen. Einerseits ist die Notwendigkeit, den Klimaschutz voranzutreiben, unbestreitbar. Andererseits sehen sich viele Akteure mit einer zunehmenden Verschuldung konfrontiert, die ihre Handlungsspielräume einengt. Die zusätzlichen Anforderungen und Kosten, die durch Green Premiums entstehen, könnten für zahlreiche, bereits angeschlagene Unternehmen das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen bringen.
Diese Situation verdeutlicht, dass nachhaltige Entwicklung nicht nur eine Frage des Willens, sondern auch der wirtschaftlichen Machbarkeit ist. Die Herausforderung besteht darin, innovative Lösungen zu finden, die den Übergang zu einer grüneren Wirtschaft ermöglichen, ohne die finanzielle Stabilität zu gefährden. Es ist unerlässlich, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam an der Entwicklung von Strategien arbeiten, die sowohl ökologisch als auch ökonomisch tragfähig sind. Nur so kann ein Gleichgewicht zwischen notwendigem Klimaschutz und wirtschaftlicher Belastbarkeit erreicht werden.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.