Wer sich für Geldanlagen interessiert und dabei insbesondere nachhaltige Investments bevorzugt, sieht sich früher oder später mit Begriffen wie dem Value-at-Risk als Risikokennzahl und insbesondere dem Carbon Value-at-Risk bei nachhaltigen Geldanlagen konfrontiert. Und nicht selten dürfte sich dabei dem einen oder anderen potenziellen Anleger, die zweifelsohne sehr berechtigte Frage stellen, was eigentlich dieses immer wieder auftretende Carbon Value-at-Risk ist und welchen Wert es für Anleger bei einem geplanten Investment hat.
Um diese Frage zu beantworten, gilt es im Grundsatz zu verstehen, wofür im Zusammenhang mit dem eher bekannten „Value-at-Risk“ („gefährdeter Wert“ beziehungsweise „Vermögen das einem Risiko ausgesetzt ist“) das Wort „Carbon“ steht – und zwar für Kohlenstoff.
Somit stellt sich die Frage, bei logischer Zusammensetzung dieser beiden Wort-Elemente, wieso ausgerechnet Kohlenstoff im Zusammenhang mit einem Risikomaß bei der Bewertung nachhaltiger Investments eine entsprechende Bedeutung zukommt beziehungsweise zukommen soll.
Auch hier ist die Beantwortung einer solchen Frage relativ einfach, denn eins der bestimmenden Themen in der Weltwirtschaft ist der Klimawandel und seine Folgen. Hervorgerufen auch durch die immensen CO2 Ausstöße ganzer Industriezweige, die die weltweite Politik seit Jahren mit immer strengeren Vorgaben einzudämmen versucht. Mit entsprechenden Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen und ihre zukünftige wirtschaftliche Entwicklung.
Was im Klartext bedeutet, dass sich hier für Anleger bei einem Investment in ein Unternehmen, welches einen hohen Co2 Fußabdruck hat, entsprechende Risiken ergeben können. Doch wie hoch ist dieses Risiko? Und genau dies drückt die Kennzahl „Carbon Value-at-Risk“ aus.
Der gedankliche Ansatz des Carbon Value-at-Risk
Stellen wir fest: Das Maß Carbon VaR misst die Auswirkungen steigender Kohlenstoffkosten beziehungsweise der Kosten für Co2 Emissionsrechte auf die Profitabilität eines Unternehmens und hilft Anlegern so bei der Bewertung jenes Unternehmens unter dem Aspekt eines lohnenswerten Investments.
Dabei geht das Carbon Value-at-Risk als Risikokennziffer im Grundsatz davon aus, das die Effekte eines steigenden Kohlenstoffpreises / Emissionsrechte komplex als auch dynamisch sein werden.
So wird angenommen, dass
- die Preise zu verkaufender Produkte aus Co2 intensiver Produktion mit hoher Wahrscheinlichkeit steigen werden, um so die Kostensteigerungen auszugleichen
- die Kosten der Unternehmen im Verhältnis zu den Gesamtemissionen, die sie selbst und ihre Zulieferer verursachen, deutlich steigen werden
- die Nachfrage aufgrund erhöhter Sensibilität von Verbrauchern unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sinkt und zu Preissenkungen führt – mit entsprechenden negativen Folgen für betroffene Branchen und Unternehmen bei Umsätzen / Gewinnen
Die Risikokennzahl Carbon Value-at-Risk Carbon VaR betrachtet die vorgenannten Annahmen, um die Auswirkungen jener auf die Gewinne von Branchen und Unternehmen im Interesse von Investoren abschätzen zu können.
Im Zentrum der CVaR stehen also die Schlüsselvariablen
- Emissionen
- Preis
- veränderte Nachfrage
Die „Historie“ des Carbon Value-at-Risk“
Entwickelt wurde die Kennzahl im Jahr 2017 von der Investment-Firma Schroders, deren Ziel es war Investoren eine präzisere Einschätzung der Risiken, die Unternehmen, Branchen und Anlageportfolios bei steigenden Kohlenstoffpreisen haben, bieten zu können. Hintergrund war zu diesem Zeitpunkt, dass Unternehmen anhand von herkömmlichen Analysen, etwa zum CO2-Fußabdruck und zur Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, eher „isoliert“ betrachtet und bewertet wurden.
Was bei diesen Analysen und Bewertungen des Co2 Fußabdrucks bis zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht betrachtet wurde, war inwieweit sich ein etwaiger und durchaus zu erwartender Anstieg der Kosten für Emissionsrechte auf die künftige Rentabilität von Unternehmen auswirken würde. Diese Erkenntnis führt letztendlich zur Entwicklung des Carbon Value-at-Risk als Kennzahl für Investoren.
Carbon Value-at-Risk in der Anwendung
Um die Aussagekraft dieser neuen Kennzahl zu unterstreichen, wurde seitens des Schroders Investment-Teams im Jahr 2017 die Annahme getroffen, dass der Kohlenstoffpreis auf 100 US-Dollar pro Tonne steigen würde. Würde eine solche Preissteigerung eintreten, wären cirka 50 % aller Unternehmen weltweit von einem Rückgang von fast 20 % beim Unternehmensgewinn betroffen.
Das Fazit
Das Risikomaß des Carbon Value-at-Risk gibt Anlegern ein genaueres Maß dafür, wie sich Kohlenstoffkosten auf Unternehmen und deren Gewinnen auswirken können. Die Kennzahl stellt also neben dem „klassischen„ Co2 Fußabdruck eine weitere Möglichkeit zur Bewertung eines Unternehmens dar, anhand dessen eine Investment-Entscheidung unter dem Aspekt „Nachhaltigkeit“ getroffen werden kann.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.