Es heisst ja immer, das nachhaltige Investments die Welt verändern. Eine Aussage, die mittlerweile immer mehr Menschen dazu bewegt zur Verfügung stehendes Kapital in Firmen zu investieren, die als nachhaltig arbeitende beziehungsweise wirtschaftende Unternehmen gelten.
Dass die Notwendigkeit hin zu mehr Nachhaltigkeit in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen gegeben ist, zeigt sich allein mit einem Blick auf den unbestreitbaren Klimawandel. Experten überall auf der Welt sind sich einig darüber, dass sich die Art und Weise der Produktion von Gütern aller Art, der Nutzung von Energie und natürlicher Ressourcen immens verändern muss, wenn die stetig steigende Erderwärmung abgeschwächt werden soll.
Und um diesen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu forcieren, wird Anlegern auf aller Welt eine bedeutende Rolle zugewiesen. Denn sie sollen mit ihrem Kapital durch gezielte Investments einen entscheidenden Einfluss ausüben. Und Anleger nehmen diese, ihnen zugewiesene Rolle zunehmend ernst, denn die Kapitalzuflüsse in nachhaltige Investment-Angebote steigen von Jahr zu Jahr. Eine Entwicklung, die Zuversicht dahingehend vermittelt, dass sich Anleger der Wirksamkeit ihres Kapitals durchaus bewusst sind.
Zweifel an der „Wirksamkeit“ nachhaltiger Geldanlagen
Und doch taucht an der einen oder anderen Stelle immer wieder einmal die Frage auf, ob gezielt nachhaltige Investments auch tatsächlich etwas bewirken? Eine Frage, die mehr als berechtigt ist. Und zwar weniger mit dem Hintergrund des Greenwashings, also des „vortäuschens“ von Nachhaltigkeit seitens der Wirtschaft, sondern vielmehr vor dem Hintergrund, was mit den nicht-nachhaltigen Geldanlage-Angeboten passiert?
Somit gilt also erstmal Folgendes festzustellen:
1.) Nicht überall, wo nachhaltig draufsteht, steckt auch wirklich eine nachhaltige Geldanlage drin.
2.) Und selbst, wenn Anleger nachhaltiger investieren, ändert das nicht zwangsläufig etwas an der Nachhaltigkeit der Gesamtwirtschaft.
Um diese Aussagen mit einem Beispiel zu verdeutlichen, genügt ein Blick auf den Aktien-Markt. Die wenigsten Anleger mit einem Fokus auf nachhaltige Investments würden Aktien und Anleihen von Öl-, Tabak- und / oder Rüstungsfirmen in ihrem Depot sehen wollen. Löblich – doch die Praxis sieht eben so aus, dass diese Aktien oftmals dennoch den Weg in das Depot des vermeintlich rein nachhaltig“ investierenden Anlegers finden – und zwar in Form von „nachhaltig“ gekennzeichneten Aktien-, und / oder Anleihen-Fonds.
Das Problem einer fehlenden Norm bei nachhaltigen Investments
Der Hintergrund ist dabei Folgender: Die Entscheidung, was als „nachhaltig“ bezeichnet wird, liegt bis dato immer noch bei den Unternehmen, di entsprechende Fonds auflegen. Jeder kann also im Grunde seinen eigenen Maßstab definieren. Für den Anleger entsteht so ein fast undurchdringbares Dickicht an Investment-Angeboten, die es schwer machen, dem eigenen Anspruch hinsichtlich Nachhaltigkeit bei Geldanlagen gerecht zu werden.
Abhilfe könnte hier sicherlich eine Art „Norm“ sein, doch passiert hier bis dato noch recht wenig. Zwar wird auf EU-Ebene diskutiert, ein einheitliches Siegel einzuführen, aber bisher gibt es kein offizielles und nachweislich unabhängiges Zertifikat, das die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten kennzeichnet. Mal abgesehen von dem ESG-Siegel. Wobei sich aber auch hier bei entsprechend gekennzeichneten Fonds zeigt, dass beispielsweise Energie-Konzerne, die Atomkraftwerke betreiben, entsprechenden Einzug in jene Fonds finden. ESG steht also auch hier nicht selten eher für eine gewisse „Halbherzigkeit“ und Mitnahme eines „Trends“.
Schmutzige Aktien: Wenn der Eine nicht kauft, dann eben ein Anderer
Und einen weiteren Punkt lässt eine gewisse Kritik am „System nachhaltige Investments“ deutlich werden, wie jetzt eine aktuelle Studie des Leibniz Institute for Financial Research zeigt. Denn selbst wenn Anlegerinnen und Anleger beispielsweise vermehrt in Aktien und Unternehmensanleihen klimafreundlicher Unternehmen investieren, macht das die Gesamtwirtschaft nicht zwangsläufig nachhaltiger.
Ähnlich treffend äußert sich auch Marcel Thum, Professor für Volkswirtschaftslehre an der TU Dresden zu diesem Thema:
„Solange es irgendjemand auf der Welt gibt, der auch die schmutzigen Dinge kauft, ist nicht viel passiert.“
Wenn ein Anleger beispielsweise in Ökostrom investiert und dafür Aktien eines Kohlestrom-Produzenten verkauft, um sein Aktienportfolio nachhaltiger zu gestalten, so sind die Kohle-Aktien dennoch weiterhin im Handel. Sie werden dann eben von anderen Anlegern gekauft. Das heißt, die Wertpapiere wechseln einfach nur die Hand, bleiben allerdings Teil des gesamtwirtschaftlichen Kreislaufs.
Selbst, wenn sehr viele Aktien eines Unternehmens verkauft werden, weil sie niemand mehr haben will, ist der Nachhaltigkeits-Effekt laut der Studie gering. Man könnte annehmen: Je mehr Aktien verkauft werden, desto geringer ist ihr Preis, weil die Nachfrage sinkt und das Angebot steigt. Und je geringer der Preis, desto schlechter fürs Unternehmen und desto eher stellt es um auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell.
So könnte es zumindest in der Theorie aussehen. Die gängige Praxis hingegen sieht eher wie folgt aus:
Weist ein Unternehmen hohe Gewinne aus und belohnt den Investor mit hohen Renditen und Dividenden, so wird es immer auf der Welt Investoren geben, die die Aktien und Anleihen dieses Unternehmens rein des persönlichen Gewinn wegens kaufen werden. Ob es sich hierbei, um ein Unternehmen mit einem schlechten Image beim Thema Nachhaltigkeit handelt, interessiert den Anleger erstmal nicht. Gut für das Unternehmen, denn es bekommt sein Kapital, produziert weiter und sorgt so schlimmstenfalls weiterhin für einen negativen Effekt auf das Klima etc.
Dr. Marcel Thum, Professor für Volkswirtschaftslehre, der an der besagten Studie des Leibniz Institute for Financial Research mitgearbeitet hat, geht in seinem Fazit davon aus, dass jedes Geschäft so lange weitergeführt wird, wie es legal und rentabel ist. Ob nachhaltig oder eben auch nicht.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.