Grüne Geldanlage – gut fürs ökologische Gewissen und bei dem oder anderen vielleicht auch in Form einer guten Rendite auf dem Depot-Konto zu sehen. Das ist bei vielen Anlegern eine nach wie vor gängige Meinung zu nachhaltigen Geldanlage-Angeboten. Was leider bis dato immer noch dazu führt, dass so manch einem Anleger diesen Anlageprodukten eher die kalte Schulter zeigt. Immerhin hat man als Anleger die freie Wahl, worin man sein eigenes Kapital anlegt.
Nur: Ab diesem August muss man sich als Anleger bei dem Gespräch mit einem Finanz-, beziehungsweise Anlageberater zu diesem Thema ein paar Fragen stellen lassen. So jene Frage dahingehend, ob die Geldanlage ökologische und soziale Aspekte einer guten Unternehmensführung berücksichtigen soll.
Dabei wird diese Frage nicht nur so, aus einem rein individuellen Interesse des Finanzberaters gestellt, sondern vielmehr aufgrund dessen, dass es sich hierbei um eine rechtliche Vorgabe aus der europäischen Verordnung zur Finanzmarktrichtlinie MiFID II handelt, die ab diesem August 2022 an diesem Punkt in Kraft getreten ist. Unter dem Kürzel „MiFID II“ treten seit 2018 schrittweise neue Richtlinien in Kraft, die den Wertpapierverkauf transparenter und das Finanzsystem zugleich nachhaltiger machen sollen.
Was steckt hinter der Frage nach der „grünen Geldanlage“?
Bis dato haben sich Anlageentscheidungen in der Regel immer auf drei Faktoren gestützt
1. Rendite
2. Risiko
3. Verfügbarkeit.
Aber jetzt gibt es einen neuen vierten Faktor, und zwar jenen der Nachhaltigkeit.
Der Faktor der „Nachhaltigkeit“ wurde nun hinzugefügt, um diejenigen Anleger zu berücksichtigen, die ihr Geld nicht in bestimmte Unternehmen und / oder Branchen investieren wollen. So beispielsweise in Unternehmen die beispielsweise klimaschädliche Kohleverstromung fördern oder Kinderarbeit dulden, weil sie der Meinung sind, dass diese Aktivitäten der Gesellschaft als Ganzes schaden, anstatt nur bestimmte Individuen innerhalb der Gesellschaft zu schützen.
Es sollen also jene Anleger identifiziert werden, deren vorrangiges Ziel ihrer Geldanlage darin liegt, Unternehmen und Projekte finanziell zu fördern, die einen effektiven Beitrag zum Umweltschutz, der Vermeidung von Kinderarbeit, der Ressourcenschonung etc. beitragen. Soweit die Theorie.
Die mögliche Praxis? Lange Beratungsgespräche und massenweise Papier
Und die mögliche Praxis? Da ist zum einen der Punkt, dass sich aufgrund der neuen Vorgaben, das Beratungsgespräch zeitlich in die Länge strecken dürfte. Das ist im Grunde nicht wirklich negativ, denn eine breit aufgestellte, qualifizierte Beratung, die darauf abzielt, die Interessen des Anlegers bestmöglich herauszuarbeiten, kann nur im Interesse des Anlegers sein. Die Krux dürfte vielmehr an anderer Stelle auftauchen, und zwar jener, wenn dem Anleger am Ende des Beratungsgesprächs 20-30 Seiten Papier zur Unterschrift vorgelegt werden und so die Gefahr besteht, dass eben nicht alles en Detail durchgelesen ergo verstanden wird.
Ein weiteres Problem bleibt, auch trotz der Regelung bei der Beratung, am Ende eben jener bestehen: Und zwar das, was dem, letztendlich als nachhaltig investierenden Anleger Identifizierten, zum Abschluss jener Beratung als grüne Geldanlage angeboten wird.
Das Problem ist hierbei im Kern die sogenannte EU-Taxonomie. Sie stellt eine Art Katalog für klimafreundliche Investitionen dar, die Anlegern bei der Einordnung ihrer Investments helfen soll. Nur hat diese EU-Taxonomie erst kürzlich eine Anpassung erfahren, die für so manch einem nachhaltig orientierten Anleger durchaus ein Dorn im Augen bedeuten könnte. Denn mit der letzten Anpassung jener EU-Taxonomie gelten auch Energiequellen wie Gas und Atomkraft als klimafreundlich. Eine Auffassung und Klassifizierung, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit das Gros der nachhaltig orientierten Anleger so nicht teilen dürfte.
Womit deutlich wird: Wie kann ein Anleger, der sein Geld nachhaltig investieren möchte, aber eben nicht in Atomkraft etc. investiert sein möchte, sicher sein, dass ihm entsprechende grüne Geldanlage-Produkte unter Ausschluss von Atomkraft angeboten werden?
Fakt ist, das es auch weiterhin keine wirklich präzisen Standards gibt, die belegen, dass es sich wirklich um ein rein nachhaltiges Anlageprodukt handelt. Ergo? Es wird auch weiterhin Vieles als grün verkauft, was eigentlich ein klassisches Anlageprodukt ist beziehungsweise dem Greenwashing zugeordnet werden kann.
Fazit: Eigenerecherche bei nachhaltigen Geldanlage-Angeboten ist weiterhin notwendig
Woraus sich auch mit dem neuen Beratungselement nach wie vor die Empfehlung dahingehend ergibt, sich detailliert mit nachhaltigen Anlageprodukten zu beschäftigen und sich vor allem bei Fondsangeboten ganz genau anzusehen, welche Unternehmen dort vertreten sind.
Was durch die Untersuchung nachhaltiger Fonds der NGO „Finanzwende“ nachhaltiger Fonds dahingehend belegt, als dass sich deren Zusammensetzung kaum von konventionellen Fonds unterscheidet. In zahlreichen sogenannten Umwelt-Fonds fanden sich globale Öl-Multis mit schlechter Umweltbilanz. Noch Fragen?
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.