Wenn es mit Bezug auf den deutschen Robo-Advisor Markt einen wirklich unbekannten Faktor gibt, dann ist jener der sogenannten Assets under Management, also der Höhe der, seitens der Roboadvisor verwalteten Kundengelder. In den Jahren 2019 /2020 tat sich dahingehend insbesondere Scalable Capital als unangefochtener Branchenprimus hervor, der vor allem, dank seiner Kooperation mit der ING Bank innerhalb von 2 Jahren die Höhe seiner verwalteten Kundengelder verdoppeln und so die 1 Milliarde Marke durchbrechen konnte. Andere, vermeintlich starke Anbieter, vor allem jene die den „Background“ einer Bank und / oder einer Investmentgesellschaft hinter sich sahen, blieben da mit niedrigen bis mittleren 3 stelligen Millionenbeträgen teilweise deutlich hinter dem Branchen-Primus.
Und so mach einer kommunizierte die Summe der verwalteten Kundengelder erst gar nicht. Sei es, weil das Roboadvisor Geschäft nicht als eigenständiges Angebot in den Bilanzen bewertet wurde oder aber man schlicht nicht gewillt war, diese Zahlen zu veröffentlichen. Insofern war der Markt bereits hier eher undurchsichtig, vor allem aber hinsichtlich der real verwalteten Assets under Management weitestgehend intransparent und Zahlen dahingehend wenig aussagefähig.
Corona-Krise brachte Robo-Advisorn erheblichen Neukunden-Zulauf
Doch dann kam Corona und dies brachte offensichtlich zahlreichen Robo-Advisorn einen erheblichen Zuwachs an Neukunden und damit auch entsprechenden Einlagen. Das dem so war, zeigte sich nicht nur anhand entsprechender Aussagen aus den Vertriebsbereichen zahlreicher Anbieter, sondern auch an entsprechenden Pressemitteilungen von Anbietern wie Quirion, Solidvest als auch Visualvest. Vor allem Letzterer meldete innerhalb weniger Monate immer wieder erhebliche Steigerungen bei eben jenen Assets under Management.
Zuerst „knackte“ man die Schallmauer der 1 Milliarde Euro , dann waren es zuletzt sogar schon 5 Milliarden Euro. Womit man de bis dato vermeintlichen Branchenführer Scalable Capital im Bereich der Online-Vermögensverwaltung im Grunde eingeholt hatte. Bemerkenswert war jedoch auch, mit welcher Geschwindigkeit man diese Steigerung bei den Assets under Management seitens VisualVest erreichen konnte.
Doch auch andere Anbieter kehrten von ihrer bisherigen Verweigerung der Nennung jener AuM ab und benannten diese Zahlen nun öffentlich. Und siehe da – auch hier war dann von erheblichen Steigerungen bei der Höhe der verwalteten Kundengelder die Rede.
Was zahlreiche Experten zu der Erkenntnis gelangen ließ, dass die Roboadvisor Angebote nach entsprechenden Anlaufschwierigkeiten nun endlich in den Köpfen zahlreicher potenzieller Anleger angekommen schien. Wie sonst ließen sich diese offensichtlich starken Zuwächse anders erklären? Zudem sei es anhand dieser Zahlen eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, wann die vermeintlich „Großen“ des deutschen Roboadvisor Marktes die vermeintlich „kleinen“ Anbieter übernehmen beziehungsweise verdrängen würden?
Das all diese Zahlen und damit verbundenen „Interpretationen“ und „Ableitungen für die Zukunft des deutschen Roboadvisor Marktes“ nur eine Seite der Medaille darstellen, konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich kaum jemand wissen – bestenfalls vermuten.
Offenbarung: Visualvest selbst deutlich kleiner als erwartet
Das gewisse Zweifel an diesen Zahlen durchaus angebracht sind und eigentlich bereits zum Zeitpunkt der veröffentlichten Pressemitteilungen Sinn gemacht hätten, offenbart jetzt ausgerechnet ein Jahresabschlussbericht jenes Robo-Advisors, der zuletzt mit den beeindruckendsten Zuwächsen von sich reden machte – VisualVest. Also jenem Robo-Advisor, hinter dem die Investmentgesellschaft Union Investment steht.
So zeigt sich, dass die kommunizierte 5 Milliarden Marke tatsächlich erreicht wurde, doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich auch, dass lediglich 73 Millionen Euro direkt auf das Roboadvisor Angebot „VisualVest“ entfallen. Und die restlich 4,92 Milliarden?
Sie entstammen aus dem sogenannten „Dritt-Geschäft“. Also aus jenem Geschäft, das in Form von White-Label-Lösungen, die VisualVest unter anderem für diverse Geno-Banken wie die Volks- und Raiffeisenbanken, die GLS Bank und weitere bereitstellt, die entsprechende Summe verwalteter Kundengelder generiert.
Was mit dieser „Offenbarung“ nun deutlich wird: Wer bis dato immer mit dem Finger auf die vermeintlich „kleinen“ Anbieter, als jenen, die bei der Höhe der verwalteten Kundengelder (Assets under Management) eben unter jenen 100 Millionen liegen, gezeigt hat und Ihnen nur geringe „Überlebenschancen“ im Angesicht der vermeintlichen „großen“ Anbieter in Aussicht gestellt hat, sieht sich nun mit einer neuen Realität konfrontiert.
Denn rein auf die 73 Millionen Euro auf Seiten von VisualVest bezogen, ist dieser Robo-Advisor eben kein „Großer“ mehr. Er rangiert damit deutlich hinter an Anbietern wie Ginmon, bevestor und anderen. Und selbst vividam erscheint hier mit mittlerweile 23 Millionen Euro Assets under Management als vermeintlicher und bis dato als solch titulierter Nischenanbieter in einem völlig anderen Licht.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.