Nach jahrelanger Niedrigzinsphase ist sie nun da – die lang erwartete Zinswende. Wie immer beginnend mit einer Erhöhung der Leitzinsen in den USA seitens der FED ist nun die Europäische Zentralbank (EZB) nachgezogen und hat ebenfalls den Leitzins angehoben – und zwar deutlich. Und die EZB hat in ihren letzten Stellungnahmen bereits durchblicken lassen, dass weitere Zinserhöhungen zu erwarten sein. Doch was bedeutet dies nun für den Kapitalmarkt und Anleger? Werfen wir einen Blick auf die aktuelle Situation.
Grund der Leitzins-Erhöhung? Eindämmung der ansteigenden Inflationsrate
In ihrer letzten Sitzung hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) den Leitzins um 0,75 Prozent auf, nun geltende 1,25 Prozent angehoben. Diese, doch außergewöhnliche Steigerung des Leitzinses wurde seitens der EZB vor allem damit begründet, die aktuelle hohe Inflation im Euro-Raum eindämmen zu wollen.
Ex-Kurs: Mit der Erhöhung der Zinsen verteuert die EZB das Geld im Markt, womit die Nachfrage nach Gütern sinkt. In der Folge sinkt auch mittelfristig die Inflation, denn in Folge der Zinserhöhung sinken aufgrund verringerter Produktnachfrage auch die Preise für jene Güter. Und genau auf diesen Effekt hofft scheinbar die EZB nun mit der Zinserhöhung.
Dabei kommt die Erhöhung des Leitzinses seitens der EZB aus Sicht von Experten keinesfalls unerwartet. Und auch die Kapitalmärkte reagierten auf den Zinsentscheid deutlich weniger nervös als man hätte erwarten können. Denn letztendlich ist die Zinserhöhung seitens geraumer Zeit erwartet worden. Aus dem Grund ist diese Erhöhung bereits im Vorfeld des Zinsentscheids bei vielen Unternehmensbewertungen eingepreist worden.
Experten erwarten zeitnah weitere Zinserhöhungen der EZB
Doch Experten erwarten und das ist aufgrund von entsprechenden Aussagen seitens der EZB durchaus fundiert, eine weitere Erhöhung des Leitzinses – und das sogar in naher Zukunft. Und da kursieren Zahlen im Raum, die sich bei rund 3 % Zinssatz bewegen. Was die jetzige Erhöhung um 0,75 % nochmals deutlich toppen würde.
Und diese Erhöhung hätte dann neben all den anderen Krisen – Stichwort Energiekosten – für Unternehmen erhebliche Folgen. Denn Unternehmen, die beispielsweise ihre Kreditlinien erweitern müssen oder aber bestehenden Kreditlinien bei Banken neu verhandeln müssen, sehen sich mit der Zinserhöhung dann mit stark erhöhten Kreditkosten konfrontiert. Das heisst, dass Kredite für Unternehmen deutlich teurer werden. Was wiederum zur möglichen Folge hätte, dass diese Unternehmen weniger Gewinne erzielen mit dem Effekt, dass deren Aktien und Anleihen aus Sicht von Anlegern zunehmend an Attraktivität einbüßen würden.
Zudem würden ältere, niedrig verzinste Anleihen uninteressanter für Investoren, und Aktien-Investments verlören insgesamt, weil festverzinste Geldanlagen nach der langen Niedrigzinsphase wieder bessere Rendite brächten.
Was bedeutet dies nun für ihre Geldanlage?
Diese Frage stellen sich derzeit wohl viele Menschen angesichts der jüngsten, bereits angesprochenen Ankündigung möglicher, weiterer Zinserhöhungen. Die Frage, die sich hierbei wohl zuerst stellt, ist wohl jene, ob und in welchem Umfang sich weitere Zinserhöhungen auf die Kapitalmärkte auswirken. Denn selbst, wenn die aktuelle Erhöhung des Leitzinses in den aktuellen Kursen eingepreist ist, so bedeutet dies nicht, das dies auch beim nächsten Zinsschritt so ist.
Wobei sich Experten in einem Punkt sicher zu sein, denn sie erwarten insbesondere bei Rentenfonds und Mischfonds mit einem hohen Anteil niedrig verzinster Anleihen weitere Kursverluste. Woraus sich momentan schlussfolgern lässt, dass Anleger entsprechende Engagements in solche Fonds eher reduzieren sollten, sofern sie denn einen erheblichen Anteil im eigenen Portfolio ausmachen.
Fakt ist auch, dass die Märkte mit Blick auf die aktuelle als zu erwartende zukünftige globale Wirtschaftslage hoch-volatil bleiben werden. Dafür gibt es klare Anzeichen und lassen sich, wenn auch nicht einzig und allein, auf den andauernden Krieg in der Ukraine zurückführen. Doch auch volatile Märkte können Chancen für Anleger bieten. Beispielsweise, in denen Aktien von unterbewerteten Unternehmen günstig eingekauft werden können. Hier gilt jedoch zu beachten, dass auch diese Aktien in Krisenzeiten wie diesen längere Zeit brauchen, um wieder im Kurs zu steigen. Es gilt also auch jetzt mittel- bis langfristig zu denken.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.