Wenn Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Greenwashing bei Banken und Fondsanbietern anprangern, erregt dies oft erhebliche mediale Aufmerksamkeit. Eine kürzlich durchgeführte Studie der europäischen Finanzmarktaufsicht ESMA kommt jedoch zu dem überraschenden Ergebnis, dass die finanziellen Auswirkungen von Greenwashing-Kontroversen praktisch nicht existent sind.
Vor drei Jahren erhob die damalige Nachhaltigkeitschefin der DWS, Desiree Fixler, schwere Vorwürfe des Greenwashings gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber. Dies führte zu weitreichenden Konsequenzen, darunter Ermittlungen der US-Finanzaufsicht SEC, rechtliche Schritte in den USA und Deutschland sowie erhebliche Kurseinbrüche der DWS-Aktien, wodurch über eine Milliarde Euro Marktkapitalisierung vernichtet wurde. Im vergangenen Jahr musste die DWS in den USA sogar eine Strafe von 19 Millionen US-Dollar zahlen.
Die prominente Natur dieses Falls verdeutlicht, dass Greenwashing nicht nur teuer werden kann, sondern auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Umso überraschender erscheint es angesichts dieser Ereignisse, dass die ESMA in ihrer aktuellen Studie zu dem Schluss kommt, dass Greenwashing-Kontroversen keine eindeutigen finanziellen Auswirkungen auf Unternehmen haben. Doch wie ist dies zu erklären?
ESMA Studie belegt: Greenwashing Vorwürfe steigen, haben aber kaum Auswirkungen auf Unternehmen
Die ESMA analysierte 933 potenzielle Greenwashing-Fälle, die sich zwischen Januar 2020 und Dezember 2021 ereigneten, unter Verwendung der Plattform RepRisk. Die öffentlich erhobenen Vorwürfe konzentrierten sich dabei auf drei Schlüsselsektoren: Öl und Gas, Finanzen und Lebensmittel. Auffällig ist der Anstieg der Vorwürfe, was die ESMA zu dem Schluss führt, dass eine zukünftige behördliche Überwachung, insbesondere im Finanzsektor, gerechtfertigt ist. Dies sei notwendig, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit und Bereitschaft des Finanzsektors zur Finanzierung des kohlenstoffarmen Übergangs aufrechtzuerhalten.
Die ESMA untersuchte potenzielle finanzielle Auswirkungen anhand von Veränderungen der Aktienrenditen und anderer Kennzahlen wie Firmenbewertungen. Die Ergebnisse der Analyse zeigten jedoch, dass Greenwashing-Kontroversen in den Jahren 2020 und 2021 keine eindeutigen, systematischen negativen finanziellen Auswirkungen auf Unternehmen hatten. Dies deutet darauf hin, dass Investoren und Märkte diesen Kontroversen im Zusammenhang mit Greenwashing nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenkten.
Betroffene Unternehmen reagieren auf Greenwashing Vorwürfe lediglich mit vorsichtigerer Kommunikation
Der Fall der DWS aus dem Jahr 2021 scheint somit eine Ausnahme zu sein. Dennoch hat die Finanzbranche über die Jahre ihre Kommunikation zu nachhaltigen Geldanlagen vorsichtiger gestaltet. Ein weiteres Beispiel hierfür ist die Deka-Bank, die sich mehrmals mit Greenwashing-Vorwürfen auseinandersetzen musste. Ein erfolgreiches Vorgehen der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Jahr 2021 führte zur Unterlassung eines Nachhaltigkeitsrechners.
Auf die Nachfrage zu den finanziellen Auswirkungen von Greenwashing-Vorwürfen reagierte die Deka-Bank eher mit einer lapidar klingenden Antwort. Sie betonte, den Verbraucherschutz ernst zu nehmen und regelmäßig ihre Marketing- und Produktstrategie zu überprüfen. Dabei verwies sie vor allem auf ihren Engagement-Ansatz, bei dem die Deka-Bank bewusst in Unternehmen mit kritischen Geschäftsaktivitäten investiert bleibt und versucht, ihren Einfluss als aktive Aktionärin zu nutzen, um diese Unternehmen zu einem nachhaltigeren und verantwortungsvolleren Wirtschaften zu bewegen.
Experten fordern schärfere Konsequenzen bei belegtem Greenwashing
Die Ergebnisse der ESMA stimmen mit den Beobachtungen von Daniel Mittler von der Nichtregierungsorganisation Finanzwende überein. Mittler beklagt, dass Greenwashing oft ohne angemessene Konsequenzen bleibt. Er fordert schärfere Regeln und persönliche Haftung der Verantwortlichen, um Manager für ihre Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen. Mittler sieht in unzureichenden Finanzmarktregulierungen ein übergeordnetes Problem, das durch das Phänomen des Greenwashings verdeutlicht wird.
Die Finanzwende Recherche veröffentlichte kürzlich eine Studie, in der aufgezeigt wurde, dass vermeintlich nachhaltige Fonds zusätzliches Geld in fossile Energieunternehmen investieren. Die Ergebnisse der ESMA deuten jedoch darauf hin, dass die Auswirkungen solcher Enthüllungen begrenzt sein könnten, wenn es um finanzielle Konsequenzen geht.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.