Zahlreiche Öko-Label versprechen nicht hur Konsumenten nachhaltige Produkte, sondern auch Anlegern nachhaltige Investments. Doch wie immer lautet hier nicht selten nach entsprechender Überprüfung, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, oder wie im Fall nachhaltiger Geldanlagen, nicht so nachhaltig ist wie es in so manch einem Anlageprospekt „suggeriert“ wird. Das generelle Schlagwort hierfür ist allgemein hin als Greenwashing bekannt, also dem „Vortäuschen“ von Nachhaltigkeit oder aber einer bewussten Irreführung. Und wer einmal auf ein solches Greenwashing hereingefallen ist, stellt sich zumeist die Frage, warum hiergegen scheinbar seitens des Gesetzgebers nichts unternommen wird!
Und diese Frage ist nicht ganz unberechtigt, denn der Kampf gegen eben jenes Greenwashing ist durchaus problematisch. Fakt ist, dass viele Menschen ihre Geldanlage mit einem guten Gewissen verbinden wollen. Doch nicht alle Fonds mit „ESG“ oder „nachhaltig“ im Namen lösen dieses Versprechen auch ein. Bislang gibt es aber nur wenig Sanktionen wegen Greenwashing.
Steigende Nachfrage nach ESG-gelabelten Fonds fördert Greenwashing
Das ungewollte Fördern von Greenwashing wird besonders durch die steigende Anzahl an ESG-Investments (ESG steht für Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) vorangetrieben. Laut dem Analysedienst Morningstar sind weltweit bis heute rund drei Billionen Dollar in ESG-gelabelte Fonds geflossen. In Europa erfreuen sich nachhaltige Fonds großer Beliebtheit: Rund 85 Prozent der ESG-Fonds werden hier erworben. Anders gestaltet sich die Situation in den USA, wo Anbieter solcher Investments durch eine konservative Anti-ESG-Bewegung unter Druck stehen.
Jedoch hält nicht jedes Produkt, das als „grün“, „nachhaltig“ oder „ESG“ bezeichnet wird, was es verspricht. Viele Fonds behaupten, bei ihren Investitionen auf Nachhaltigkeit zu achten, investieren jedoch weiterhin in umweltschädliche Branchen wie Kohle und Öl. Dies belegen Recherchen der niederländischen Plattformen „Follow the Money“ und „Investico“ in Zusammenarbeit mit neun europäischen Medienhäusern, die Ende April veröffentlicht wurden.
Untersucht wurden dabei 1.300 Fonds mit insgesamt 300.000 Investitionen im Wert von 525 Milliarden Euro. Das alarmierende Ergebnis: 40 Prozent der als nachhaltig gekennzeichneten Investmentfonds investieren in Unternehmen, die einen signifikanten Teil ihrer Einnahmen aus fossilen Brennstoffen generieren. Damit widersprechen sie klar den Vorstellungen der europäischen Finanzaufsichtsbehörde Esma, wonach Fonds mit einem Umweltbegriff im Namen nicht in Unternehmen investieren sollten, die mehr als ein Prozent ihrer Einnahmen aus Kohle, mehr als zehn Prozent ihrer Einnahmen aus Öl oder mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen aus Erdgas erzielen.
Sanktionen gegen Greenwashing nur schwer durchsetzbar
Bislang haben vor allem Umweltorganisationen und Verbraucherschutzverbände den Kampf gegen das Greenwashing von Finanzprodukten angeführt. Die Verbraucherzentrale hat beispielsweise verschiedene Finanzdienstleister wegen irreführender Werbung abgemahnt. Gegen den Fondsanbieter DWS wird seit zwei Jahren wegen mutmaßlichen Greenwashings ermittelt, wobei eine Einigung mit der Staatsanwaltschaft bevorsteht. Diese könnte das Verfahren gegen Zahlung einer Millionensumme einstellen.
Sanktionen seitens der Aufsichtsbehörden mussten die Unternehmen bisher nur selten befürchten – das soll sich jedoch ändern. Auch die Finanzaufseher der Europäischen Union (EU) sind besorgt, dass massives Greenwashing im Finanzsektor die ernsthaften Bemühungen zur Finanzierung des nachhaltigen Wandels untergraben und das Vertrauen der Verbraucher in nachhaltige Finanzprodukte erschüttern könnte.
Die drei Aufsichtsbehörden Eba, Esma und Eiopa haben daher untersucht, wie weit das Greenwashing im Finanzsektor verbreitet ist. Dabei verzeichnen sie eine zunehmende Anzahl von Greenwashing-Fällen. Insbesondere die EU-Bankenaufsicht Eba meldet einen deutlichen Anstieg dieses Trends in allen Sektoren, auch bei EU-Banken. Die Gesamtzahl der mutmaßlichen Fälle stieg im Jahr 2023 um 26,1 Prozent im Vergleich zu 2022.
Dennoch gibt es bisher nur wenige Strafmaßnahmen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die zuständigen nationalen Behörden nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, um ihre Befugnisse umfassend auszuüben, wie die Esma berichtet.
EU-Aufseher erhöhen Druck auf Anbieter dank neuer, strengerer Vorgaben
Allerdings nehmen die EU-Aufsichtsbehörden Banken, Versicherer und andere Finanzmarktakteure nun deutlich stärker in die Pflicht. Denn diese müssen Nachhaltigkeitsinformationen bereitstellen, die „fair, klar und nicht irreführend sind“. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verlangt von Finanzunternehmen und Beratern, klar und verständlich offenzulegen, welche ESG-Faktoren sie in ihre Investitionsentscheidungen und -beratung einbeziehen.
Die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) im Euroraum ist kürzlich gegen mehrere Banken vorgegangen, die unzureichend mit Umwelt- und Klimarisiken umgegangen sind. Diese Banken müssen nun mit Geldstrafen rechnen.
Im Mai hat die Esma neue Richtlinien gegen irreführende Fondsnamen veröffentlicht. Diese sollen verhindern, dass Fonds einen nachhaltigen Begriff im Namen tragen, obwohl sie weiterhin in fossile Brennstoffe investieren. Die neuen Regeln werden jedoch erst im kommenden Jahr greifen.
Analyse belegt: Nichts ist einfacher als „Greenwashing“
Wie leicht es Unternehmen bisher gefallen ist, durch einen „grünen“ Namen kurzfristig einen positiven Effekt zu erzielen, zeigt eine Analyse des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung Safe. Bereits die Ergänzung des Unternehmensnamens um „grüne“ Schlüsselbegriffe reicht aus, um als nachhaltig wahrgenommen zu werden.
Die Forscher untersuchten die Formulare von Unternehmen, die nach einer Namensänderung bei der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC eingereicht wurden. Viele dieser Namensänderungen könnten als neue Form des Greenwashings interpretiert werden. Unternehmen, die Begriffe wie „Green“, „Environment“, „Clean“, „Water“ oder „Solar“ in ihren Namen aufnahmen, erzielten auf dem Aktienmarkt besonders hohe Gewinne. Sie verzeichneten Renditen von etwa 15 Prozent innerhalb eines Tages nach der Ankündigung des Namenswechsels. Der Effekt war besonders stark bei Unternehmen, die zuvor keine bedeutenden Umweltaktivitäten gezeigt hatten.
Anleger sollten daher skeptisch sein, wenn Unternehmen eine Namensänderung mit Nachhaltigkeitsbezug ankündigen. Der positive Effekt eines grünen Anstrichs kann sich jedoch schnell ins Gegenteil verkehren: Passen die Firmen ihr Handeln nicht an die grünen Erwartungen an, drohen negative Effekte und Vertrauensverlust, wie die Safe-Forscher warnen.
Die EU-Kommission hat den Kampf gegen falsche Nachhaltigkeitsversprechen aufgenommen. Bereits im März 2023 legte sie einen Gesetzesvorschlag vor, der von Unternehmen Mindeststandards bei Angaben zur Klimafreundlichkeit oder Nachhaltigkeit von Produkten fordert. Die Green-Claims-Richtlinie soll klare Vorgaben für explizite Umweltaussagen festlegen.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.