Lassen sie uns eingangs einer grundsätzliche Frage stellen: Tun wir alle genug für den Klimaschutz beziehungsweise gegen den Klimawandel? Die Antwort hierauf lautet „Nein“, denn in Zeiten, in denen die Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher spürbar werden, was sich in der durchschnittlichen globalen Temperaturerhöhung von etwa 1,1°C seit der vorindustriellen Zeit zeigt, ist es unerlässlich, neue Wege und Technologien zu erforschen, um die fortschreitende Erderwärmung zu bekämpfen. Die dramatischen Folgen dieser Erwärmung manifestieren sich bereits heute in Form von extremen Wetterereignissen, deren Häufigkeit sich in den letzten 50 Jahren verfünffacht hat. Besonders deutlich wurde dies im Jahr 2023, als weltweit neue Temperaturrekorde verzeichnet wurden und die globale Durchschnittstemperatur erstmals an einzelnen Tagen mehr als 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau lag. Die weltweiten CO2-Emissionen erreichten 2022 einen besorgniserregenden Rekordwert von 36,8 Milliarden Tonnen, wobei der Energiesektor mit etwa 75% den größten Anteil ausmacht.
Wirtschaftliche Schäden durch klimabedingte Naturkatastrophen beliefen sich allein im Jahr 2022 auf über 165 Milliarden US-Dollar. Das Pariser Klimaabkommen von 2015, dem sich 195 Nationen verpflichtet haben, strebt eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C an – ein Ziel, das nach aktuellen Prognosen der Vereinten Nationen ohne radikale Maßnahmen nicht mehr zu erreichen ist.
Viele der notwendigen Technologien und Strategien zum Klimaschutz sind bereits entwickelt, werden jedoch noch kaum genutzt, sei es aus wirtschaftlichen, politischen oder technischen Gründen. Dieser Artikel beleuchtet sieben radikale Strategien, die einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten und deren konsequente Umsetzung möglicherweise unsere letzte Chance darstellt, die dramatischsten Folgen des Klimawandels noch abzuwenden.
Erhöhung der CO2-Senken: Die Natur als Verbündeter
CO2-Senken sind Prozesse, die CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern, wie z.B. Wälder, Ozeane und Böden. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass natürliche Ökosysteme jährlich etwa 9,5 Gigatonnen CO2 aufnehmen, wobei Wälder allein für rund 7,6 Gigatonnen verantwortlich sind. Die Förderung und Erweiterung dieser natürlichen Senken durch Aufforstung und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit kann einen erheblichen Beitrag zur Bindung von CO2 leisten. Das „Trillion Trees Project“ beispielsweise zeigt, dass die Pflanzung von einer Billion Bäumen theoretisch bis zu 205 Gigatonnen CO2 binden könnte. Besonders vielversprechend sind auch Renaturierungsprojekte von Mooren, die pro Hektar jährlich bis zu 30 Tonnen CO2 speichern können – deutlich mehr als ein durchschnittlicher Wald mit 6 Tonnen pro Hektar.
Reduktion der Methanemissionen: Ein starkes Treibhausgas im Visier
Methan ist ein viel stärkeres Treibhausgas als CO2 – über einen Zeitraum von 20 Jahren etwa 84-mal so klimawirksam. Die globalen Methanemissionen betragen derzeit etwa 570 Millionen Tonnen jährlich, wovon etwa 40% aus der Landwirtschaft stammen, hauptsächlich aus der Viehzucht und dem Reisanbau. Die Öl- und Gasindustrie ist für weitere 35% verantwortlich. Die Reduktion der Methanemissionen ist daher entscheidend. Technische Innovationen wie die Methanrückgewinnung bei der Ölförderung können die Emissionen um bis zu 75% reduzieren. In der Landwirtschaft zeigen Futtermittelzusätze für Rinder vielversprechende Ergebnisse mit Reduzierungen der Methanemissionen um bis zu 30%.
Erneuerbare Energien: Der Übergang zur sauberen Energie
Die Umstellung auf erneuerbare Energien wie Solar-, Wind- und Wasserkraft ist zentral für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Der Anteil erneuerbarer Energien am globalen Strommix erreichte 2023 erstmals 30%, mit besonders starkem Wachstum im Solarbereich, der allein im Jahr 2022 um 239 Gigawatt ausgebaut wurde. Die Kosten für Solarenergie sind seit 2010 um etwa 85% gesunken, wodurch sie in vielen Regionen zur günstigsten Energiequelle geworden ist. Offshore-Windparks erreichen mittlerweile Kapazitätsfaktoren von über 50%, was sie zu einer zuverlässigen Grundlastquelle macht. Diese sauberen und nachhaltigen Energiequellen sind unerlässlich, um den globalen Energiebedarf zu decken, der bis 2050 voraussichtlich um 50% steigen wird.
Effizienzsteigerung: Energie clever nutzen
Die Verbesserung der Energieeffizienz in Industrie, Verkehr und Gebäuden ist ein weiterer Schlüssel zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Im Gebäudesektor, der für etwa 40% des globalen Energieverbrauchs verantwortlich ist, können moderne Wärmepumpen den Energiebedarf um bis zu 75% reduzieren. In der Industrie führen optimierte Produktionsprozesse und die Einführung von intelligenten Steuerungssystemen zu Energieeinsparungen von durchschnittlich 30%. Der Transportsektor verzeichnet durch die Elektrifizierung erhebliche Effizienzgewinne – Elektrofahrzeuge erreichen einen Wirkungsgrad von bis zu 95%, verglichen mit nur 30% bei konventionellen Verbrennungsmotoren. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass verbesserte Energieeffizienz bis 2050 etwa 40% der erforderlichen Emissionsreduktionen liefern könnte.
Verhaltensänderungen: Nachhaltigkeit leben
Neben technologischen Lösungen sind auch Verhaltensänderungen als Beitrag zum Klimaschutz unerlässlich. Eine Studie der Universität Oxford zeigt, dass eine vegane Ernährung den individuellen CO2-Fußabdruck um bis zu 73% reduzieren kann. Der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel spart durchschnittlich 2,5 Tonnen CO2 pro Person und Jahr. Recycling und Kreislaufwirtschaft können die CO2-Emissionen in der Produktion um bis zu 60% senken – allein die Wiederverwertung von Aluminium spart 95% der Energie im Vergleich zur Neuproduktion. Eine aktuelle Untersuchung des Umweltbundesamtes belegt, dass der durchschnittliche CO2-Fußabdruck in Deutschland bei etwa 11,2 Tonnen pro Person und Jahr liegt, durch konsequente Verhaltensänderungen aber auf unter 5 Tonnen reduziert werden könnte.
Was bleibt als Fazit?
Die Bekämpfung des Klimawandels erfordert ein Zusammenspiel aus technologischen Innovationen, politischen Entscheidungen und individueller Verhaltensänderung. Die Weltbank schätzt die notwendigen globalen Investitionen zur Erreichung der Klimaziele auf jährlich 4,5 Billionen US-Dollar bis 2050. Demgegenüber stehen potenzielle Klimaschäden von bis zu 23 Billionen US-Dollar pro Jahr, falls keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen werden. Jede der hier vorgestellten Strategien bietet Chancen und Herausforderungen, doch gemeinsam haben sie das Potenzial, die globalen Emissionen bis 2050 um 85% zu reduzieren. Der jüngste IPCC-Bericht unterstreicht, dass uns nur noch ein schmales Zeit-Fenster von etwa zehn Jahren bleibt, um die verheerendsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. Es ist an der Zeit, dass wir diese radikalen Maßnahmen ernsthaft in Betracht ziehen und handeln, bevor es zu spät ist.
Prokurist und Leiter Portfoliomanagement, Wirtschaftsinformatiker (EBS), über 25 Jahre Erfahrung als Händler (Eurex-, Xetra- und NASD-Lizenz) und Portfolio- und Fondsmanager u.a. für Absolute-Return-Produkte bei Investmentboutiquen. Seit 2009 bei der FiNet Asset Management GmbH in Marburg als Fonds- und Portfoliomanager tätig.
Frank Huttel ist spezialisiert u.a. auf Produktentwicklung und der Fondsauswahl und hat fundiertes Know-how im klassischen sowie alternativen Asset-Management. Seit 2019 ist er SRI-Advisor (EBS) und Climate Reality Leader (2018). Außerdem ist er Mitinitiator von vividam, dem nachhaltigen Robo-Advisor.